„Albtraum-Zustände“ in Neubau der Umweltbehörde Hamburg?

  • „Albtraum-Zustände“ in Neubau der Umweltbehörde Hamburg?
  • Links und Hintergründe

Die Tageszeitung „Die Welt“ beschäftigt sich in ihrem Beitrag „Mitarbeiter beklagen Albtraum-Zustände in Hamburger Umweltbehörde – Nasenbluten im Vorzeigebau“ (26. Oktober) mit dem 2013 eröffneten und gefeierten Neubau der Hamburger Umweltbehörde, in dem 1.500 Menschen arbeiten.

Der durch das Hamburger Traditionsunternehmen Sprinkenhof GmbH geplante und realisierte auffällige Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sei ein „herausragendes Schlüsselprojekt bei der Realisierung des städtebaulichen Konzepts ‚Masterplan Mitte Wilhelmsburg 2013/2013+‘ und ein beispielhaftes Projekt für nachhaltiges Bauen“ – so beschreibt Sprinkenhof das Projekt selbst. Der früher unspektakuläre, eher problembehaftete Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg wurde durch diesen Entwicklungsplan erheblich aufgewertet. Sprinkenhof ist der Asset- und Projektmanager für die Anmietung, Vermietung, den Neubau sowie die Sanierung von städtischen Gewerbeimmobilien der Freien und Hansestadt Hamburg. Aktuell saniert das Unternehmen zum Beispiel das in die Jahre gekommene Congress Centrum Hamburg (CCH).

Und nun beschweren sich Mitarbeiter der Umweltbehörde unter anderem über die Qualität der Raumluft, die zu Nasenbluten und trockenen Augen führt. Eine Untersuchung habe ergeben, dass 100 Räume in der Behörde nicht den Arbeitsrichtlinien entsprechen. In der kälteren Jahreszeit sollen im Winter im 12. Stock 26 °C herrschen, im Erdgeschoss allerdings nur 16 °C. Bis Ende Oktober sollen in 228 Räumen die Fußböden nachgedämmt werden. Zudem soll im kommenden Jahr eine zentrale Luftbefeuchtungsanlage eingebaut werden, die für besseres Raumklima sorgen soll.
Besonders pikant: Das Musterprojekt wurde von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, deren Mitglied Sprinkenhof ist, zunächst mit „Gold“, später mit dem „Platin“-Zertifikat ausgezeichnet. Bei der Platin-Projektbewertung ereichte der Punkt „technische Qualität“ 78,6 %.
Der Neubau ist auch in der EnOB-Datenbank „Demonstrationsgebäude“ aufgeführt. EnOB bezeichnet die vom BMWi geförderte Forschungsinitiative Energieoptimiertes Bauen. Die EnOB-Datenbank für Demonstrationsgebäude wurde im Rahmen der EnOB-Begleitforschung entwickelt. „Alle Projektdaten, insbesondere die Energiekennwerte, können so konsequent und nachhaltig erfasst, ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden“, ist bei EnOB zu lesen. So ist auch zu erkennen, dass der Verwaltungsneubau zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 30. September 2016 einem energetischen Monitoring unterzogen wurde (mehr dazu auf Seite 2 dieser Meldung). Und da blieben die beklagten Mängel unbemerkt?

Ein Schmankerl zum Schluss, das natürlich mit dem Inhalt dieser Meldung rein gar nichts zu tun hat: Die Sprinkenhof GmbH zog 2016 wieder in das von 1927 bis 1943 errichtete Hamburger Kontorhaus „Sprinkenhof“ – mit einer wunderschönen, robusten, roten Backsteinfassade, die für Hamburg so typisch ist – diese Fassaden werden nicht unbedingt mit raumlufttechnischen Problemen in Verbindung gebracht.

Wir haben uns für die Mitglieder von cci Wissensportal durchgeklickt. Einen Link zur ausführlichen Projektbeschreibung des Neubaus der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt inklusive TGA finden Sie auf Seite 2, ebenso weitere aussagekräftige Links zur Projekthistorie und Projektdaten.

Artikelnummer: cci55319

4 Kommentare zu “„Albtraum-Zustände“ in Neubau der Umweltbehörde Hamburg?

  1. Wenn ich das lese, dann gibt es dort dicke hydraulische Probleme. Bei 1.500 Mitarbeitern wissen die das auch, aber nicht, wie sie es abstellen sollen, weil sie nicht wissen: Was bzw. wieviel fließt wann und wo?

  2. In vier Jahren haben die Erbauer und Vermieter es offenbar nicht geschafft, in diesem Vorzeigebau ein Klima zu etablieren, das „lebbar“ ist. Wenn die Klimabranche sich nicht auch mit diesen Fehlleistungen auseinandersetzt und dazu steht, dann werden sich diese Fälle häufen.
    Ich hoffe, dass ich am TGA-Kongress kommenden März in Berlin Gelegenheit bekommen werde, aufzuzeigen, weshalb unsere menschliche Physiologie mit der Klimasituation in unseren modernen Gebäuden so ihre liebe Mühe hat.

  3. Die Bewertung des Gebäudes sollte fairer Weise unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Die Forschungs- und Demonstrationsprojekte im Rahmen des EnOB-Programms des BMWI sind wichtig und richtig: ohne Ausprobieren in der Praxis kommen wir bei Gebäuden nicht weiter. Und in der Forschung darf es – auch bei Gebäuden – zu einem begrenzten Scheitern beim Einsatz innovativer Konzepte und Technologien kommen. Gerade dieses Risiko wird auch vom Fördergeber unterstützt.

    Fraglich ist allerdings, ob es in technisch eher konventionellen Büroräumen zu Komfortproblemen kommen muss. Hier drängt sich uns in der Praxis oft der Eindruck auf, dass überzogene Standards und Zertifizierungen in der frühen Planung zu einem „Viel-hilft-Viel“ oder „Hin-Simulieren“ führt, die resultierenden, um so anspruchsvolleren Konzepte dann aber in den weiteren Phasen nicht durchgehalten werden.

    Aus unserer Sicht helfen hier robuste Standards (ein Büro muss man wohl kaum jedes Mal neu erfinden) und ein effektives Qualitätsmanagement. Das dies trotz Zertifizierung zumindest in Bezug auf die genannten Defizite offensichtlich nicht erfolgreich umgesetzt wurde, ist bedauerlich, die Zertifizierung mit DGNB-Platin ärgerlich. Zertifizierungen, z.B. nach DGNB, tragen dazu bei, dass wichtige Kenntnisse über Schadstoffe, Nutzerkomfort und Energieeffizienz in die Branche und zu den Bauherren getragen werden. Die Zertifizierungsagenturen sollten nicht zulassen, dass ihre Zertifikate diskreditiert werden, weil es das Zertifikat schon bei Fertigstellung gibt. Hier kann es maximal ein Vorzertifikat geben, zu einem Vollzertifikat gehört der bestandene Praxistest!

    Die neue AMEV Empfehlung Technisches Monitoring 2017 hat hierfür entsprechende Grundlagen definiert und ist bei BNB-Zertifizierungen bereits Pflicht. Hier kann übrigens auch eine Prüfung der Entwurfsplanung mit ausgeschrieben werden, in einer Phase, wo noch viel und kostengünstig korrigiert werden kann.

    Stefan Plesser
    http://www.synavision.de

  4. Ja, es ist halt nicht alles Gold was glänzt geschweigen denn Platin.
    Und wenn es gar keine aktive Befeuchtung im Gebäude gibt ist es klar, dass es im Winter sehr sehr trocken (geringe Luftfeuchte) wird.
    Ob der Kunde keine Befeuchtung bestellt hat wissen wir nicht aber solche Problemfälle sind natürlich in vielen Gebäuden anzutreffen.
    Zu denken gibt mir aber auch die im Energiekonzept genannte Sollraumtemperatur im Winter von 20°C, oder die Fensterlüftung im Sommer bei aktiver Thermoaktivdecke.
    Nicht dass man sich hier auf Kosten der Behaglichkeit in der TGA Technik Geld sparen wollte (die Fassade war bestimmt sehr teuer). Viel wichtiger ist ja auch, dass das Gebäude „hipp“ aussieht, der Mensch und sein Arbeitsplatz tritt hier wie so oft in den Hintergrund.

    Der Gebäudeflüsterer

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