Dr. Hugentobler bietet 200 Euro Belohnung für Studie

Raumbelüftung im Winter zwischen „knochentrocken“ und „schlecht belüftet“: Am 17. Januar veranstaltete der Schweizerische Verein für Luft- und Wasserhygiene (SVLW) an der Swissbau in Basel ein Seminar unter dem Motto „Luft zum Lernen“. Fünf Fachreferenten und rund siebzig interessierte Zuhörer diskutierten die Lüftungssituation in Schweizer Schulzimmern. Für cci Branchenticker berichtet Dr. Walter Hugentobler aus der Schweiz.

Seminar „Luft zum Lernen“ (Abb. SVLW) Die Mehrheit der Fachreferenten und Zuhörer vertrat die Meinung, dass die Luftaustauschraten zu gering sind und vermutlich sogar verhindern, dass die Schulkinder ihre volle Lernkapazität ausnutzen können. Die Plattform meineraumluft.ch hat in einem Feldversuch in diesem Winter gezeigt, dass der Luftaustausch verbessert werden kann, wenn die Schüler durch ein großes CO2-Display auf die Notwenigkeit des Fensterlüftens aufmerksam gemacht wurden. Konsequentes Fensterlüften führte am Ende der Schulstunden in 54 % der Fälle zu CO2-Werten unter 1.400 ppm. Logische physikalische Folge des besseren Luftaustauschs war im Winter aber eine knochentrockene Raumluft (79 % der Messungen unter 40 %, 32 % unter 30 %). Ist die Wahl zwischen „Verstinken“ und „Vertrocknen“ das beste Angebot, das unsere Schulhäuser den Schülern machen können?

Dr. med. Walter Hugentobler Dass der Luftaustausch durch moderne MSRL-Technik, das heißt, durch Mess-, Steuerungs-, Regel- und Leittechnik besser gewährleistet werden kann, wurde am Seminar für alle gut sichtbar mit einem Tisch-Display (Hersteller Messtechnikunternehmen Rotronic) mit Echtzeitwerten für CO2, Temperatur und relative Luftfeuchte illustriert. Obwohl der Seminarraum (170 m², 4 m Raumhöhe) mit rund 70 Personen so dicht belegt war wie die meisten Schulzimmer in der Schweiz, stieg der CO2-Gehalt nur geringfügig von knapp über 600 ppm auf knapp 700 ppm an. Die Luftaustauschrate wurde offenbar der Belegung angepasst gesteigert, und die Raumtemperatur blieb unverändert bei knapp 23 °C. Die Regeltechnik hat somit ordnungsgemäß funktioniert. Da die relative Feuchtigkeit dabei nur ein passiver Parameter ist, wird ihr Wert vom Außenklima und den Führungsparametern CO2 und Temperatur bestimmt. Obwohl am Seminartag die Außentemperaturen 1 bis 6 °C betrugen und die Luftfeuchtigkeit 80 %, lag die Raumluftfeuchtigkeit vor und am Ende des Seminars unverändert bei 23 %. Sie entsprach damit genau der Raumklimasituation in einem ausgebuchten Verkehrsflugzeug – knochentrockene Wüstenluft!
Ist das wirklich das Beste, was moderne Klima-Regeltechnik den mehr als 100.000 Besuchern und den vielen Tausend Ausstellungsmitarbeitern an einer Leistungsshow des Schweizer Baugewerbes bieten kann? Solange aktive Befeuchtung mit dem Energiesparargument konsequent abgelehnt wird, kann sich an der winterlichen Trockenheit in gut belüfteten Gebäuden tatsächlich nichts ändern.
Als Arzt frage ich mich, wie lange die Gebäudebranche noch ungestraft darauf beharren kann, dass dies gesundheitlich unbedenklich ist, obwohl die Heizperiode regelmäßig begleitet ist von einem drastischen Anstieg von Erkrankungsfällen. Die Gesundheitsämter müssten längst den Nachweis der Unbedenklichkeit einfordern, da es keine einzige Populationsstudie gibt, die diese Unbedenklichkeit nachweisen würde.
Der Verfasser bietet deshalb jedem Leser, der eine solche Bevölkerungsstudie ausfindig machen kann, eine Belohnung von 200 €!
(Hinweis der Redaktion: Wir leiten entsprechende Anfragen an Herrn Dr. Hugentobler gern weiter. E-Mail an redaktion@cci-dialog.de genügt.)

Artikelnummer: cci59665

5 Kommentare zu “Dr. Hugentobler bietet 200 Euro Belohnung für Studie

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    der Vollständigkeit halber bitte ich Sie die folgende Bemerkung noch zu ergänzen:

    „Alternativ können auch Geräte mit Rotationswärmetauscher und einer Feuchterückgewinnung von teils über 80 % (Sorptions-Rotor) eingesetzt werden. Gute Geräte kommen ohne Kondensatablauf und Vorheizung aus, so dass ohne zusätzlichen Energieverbrauch auch bei niedrigsten Aussentemperaturen die Feuchterückgewinnung gewährleistet ist.“

    Mit freundlichen Grüßen
    Dipl.-Ing. Peter Kröplin
    Produktmanager Wohnraumlüftung
    Hoval GmbH

  2. Herr Schögendorfer, die von Ihnen benannten „Verunreinigungen mit Staub und anderen Inhaltsstoffen“ belasten Innenräume und Menschen ganzjährig, nicht nur in der kalten Jahreszeit.
    So wurde in Studien für optimale Reinraumbekleidungen, mit Vergleichsmessungen festgestellt, das ein Mensch in alltäglicher Bekleidung (Baumwolle) und normaler Tätigkeit bis zu 34 Millio. Partikel an seine Umgebung (Hautschüppchen, Haare, Textilfasern, Atempartikel etc.) täglich abgibt. Dazu kommen die Partikel aus weiteren Aktivitäten wie auch Einträge aus der Umgebung. Insbesondere dann, wenn mittels Fensterlüftung die Sicherstellung des Luftwechsels in Gebäuden stattfindet.

    Bei sehr trockener Luft haben diese Partikel ein geringeres Gewicht und sind damit leichter aufwirbelbar bzw. weisen größere Flugreichweiten auf. Auch ist die Bindung an Oberflächen im Raum, wie durch Herrn Dr. Hugentobler bereits anderweitig beschrieben, erheblich geringer.

    Bei höheren Raumluftfeuchten reichern sich die Partikel mit Wasser an und werden schwerer, respektive sind weniger leicht aufwirbelbar und erreichen geringere Flugreichweiten. Und da Keime wie auch Erreger (Influenza, Masern etc.) an den Partikeln anhaften, sind diese in sehr trockenen Räumen „mobiler“ und die Luftkeimübertragung funktioniert wie im medizinischen Lehrbuch.

    Ralph Langholz, Hanau

  3. Herr Dr. Hugentobler kennt sicher die Meinung von Prof. Hildebrand, Hochschule Luzern (cci Zeitung berichtete), oder auch die Studie, die in der „baua: Aktuell 3/17“ angeführt wurde.
    Als Ursache gesundheitlicher Auswirkungen werden eher die im Winter überhitzten Innenräume und deren Verunreinigungen mit Staub und anderen Inhaltsstoffen angesehen.
    Gibt es Studien über Reizungen von Augen oder Schleimhäuten von Völkern im hohen Norden, wie etwa die Sami? Wenn die Ursache in der niedrigen Luftfeuchte liegen würde, müssten diese ja besonders darunter leiden.

  4. Die meisten Lüftungsgeräte können mit einem Enthalpie-Plattentauscher ausgestattet werden. Somit wird mindestens 60% der Feuchte zurückgewonnen.
    In einem Klassenzimmer bleibt daher auch bei hohem Luftwechsel und sehr trockener Aussenluft die Feuchte stabil. Eine Energie-Intensive Befeuchtung ist nicht nötig.
    Peter Müller, Polybloc AG

  5. Dr. Hugentobler trifft den Nagel auf den Kopf. cci Branchenticker berichtete ja bereits anschaulich über die Zustände der neuen Umweltbehörde in Hamburg (cci Branchenticker vom 30.10.2017). „Schuld“ an der trockenen Raumluft sind jedoch weniger die TGA-Planer und Gerätehersteller; die möchten ja gerne die beste Technik einsetzen. Alleine, der Kostendruck verhindert die gesundheitlich beste Variante. Hier könnte die Politik eingreifen und entsprechende Behaglichkeitsnachweise vorschreiben. Wem das zuviel Zwang und Staat ist, der kann eine Aufklärungsinitiative starten. Ich bin mir sicher, dass die Herstellerverbände diese gerne unterstützen.

    Prof. Christian Fieberg, Westfälische Hochschule Gelesenkirchen

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